Schirmherrschaft:
Michael von Habsburg-Lothringen
Erzherzog von Österreich

 


Die Musica Aeterna Kunststiftung beabsichtigt mit einem Großprojekt die Rekonstruktion und Wiederbelebung der liturgischen Musik des Habsburger-Hofes, sowie ihre Bekanntmachung beim heutigen Publikum, aus einer zeitlichen Distanz von rund 500 Jahren, unter Mitwirkung von internationalen Künstlern und Ensembles.

Das Repertoire umfasst das vollständige Kirchenjahr mit all seinen Sonn- und Feiertagen, d.h. genau 238 musikalisch gestaltete Gottesdienste. Aufgrund der großen Anzahl der Veranstaltungen soll dies in 3 Jahren realisiert werden, angefangen am 30. November 2008 (1. Adventsonntag) und vollendet am 22. November 2011 (am Fest der Heiligen Cecilia, der Schutzpatronin der Musik). Das vollständige Gesangsrepertoire wird mithilfe zweier wichtiger zeitgenössischer Quellen rekonstruiert und zur Aufführung gebracht. Das 500-jährige Jubiläum der Komposition und der Publikation dieser beiden historischen Befunde markiert den Startpunkt und das Abschlussdatum des Projektes.

Gregorianische Gesänge, die das Fundament der liturgischen Vokalpraxis bildeten, werden aufgrund des Graduale Pataviense vorgetragen. Dieser Sammelband beinhaltet das gregorianische Gesangsmaterial nach dem Ritus des Passauer Erzbistums, das auch als Basis für die Liturgie am kaiserlichen Hof diente. Der Band galt auch als Grundlage für Heinrich Isaak bei der Komposition der 3 Bände des Choralis Constantinus, welche das mehrstimmige, polyphone Material der Liturgie für das ganze Kirchenjahr umfassen. Für die Anfertigung dieser – in der Musik- und Kulturgeschichte einmaligen – Sammlung erhielt der Komponist den Auftrag 1508 von dem Konstanzer Domkapitel. Von nun an wirkte er bis zu seinem Tode an dessen Ausführung.

Heinrich Isaak wurde in Flandern geboren, stand zunächst im Dienste der Familie Medici in Florenz, wandte sich später an Kaiser Maximilian, den I. und wurde zum Hofkomponisten ernannt. Die Komposition des Choralis Constantinus führte er in erster Linie entsprechend der Praxis am Kaiserlichen Hof aus. In den letzten Jahren seines Lebens verließ Isaak den Kaiserhof und kehrte nach Florenz zurück, um die Familienangelegenheiten der Medici in den Griff zu bekommen, womit ihn Papst Leo, der X., ein ehemaliger Schüler von ihm, beauftragte. Nach dem Tod von Isaak wird die Komposition des Choralis Constantinus von Ludwig Senfl, ebenfalls einem ehemaligen Schüler und Nachfolger am kaiserlichen Hof, fortgesetzt und vollendet.

1519 nach dem Tod von Kaiser Maximilian, dem I. wurde die Hofkapelle aufgelöst und somit Senfl entlassen. Ab 1523 hielt sich Senfl am Hofe des bayerischen Herzogs auf, wo er die Sammlung, die sein Meister begonnen hatte, fertig schrieb. Das Manuskript erschien nach langen Umwegen und Abenteuern 1550 und 1555 in Druck. Die Publikation dieses dreibändigen, mehrstimmigen Materials ist von großer historischer und kultureller Bedeutung. Aus musikwissenschaftlicher Perspektive betrachtet ist es eine Art Zusammenfassung der Entwicklung der niederländischen (franco-flämischen) Kompositionstechnik von dem Erscheinen der Mehrstimmigkeit bis zur Renaissance. Die wichtigsten Merkmale dieser Entwicklung sind an der Sammlung leicht ablesbar. Weder davor, noch danach in der Weltgeschichte entstand ein – sowohl in der Quantität, als auch in der Qualität – ähnliches Werk, das das vollständige musikalische Material eines ganzen Kirchenjahres umfasst. Außer Isaak versuchten noch einige anderen Komponisten das Gleiche, aber entweder gelangte ihnen die Vollständigkeit nicht, oder das gesamte Unternehmen blieb bei der Planung und wuchs aus dieser Phase nicht hinaus.

Der Choralis Constantinus fand – zunächst in handschriftlichen Kopien – nach seinem Druck  in der europäischen Kirchenmusikpraxis rasch Verbreitung. Seine weitere Rezeption wurde durch die Einführung der zentralisierten Liturgiepraxis, die auch die Kirchenmusik betreffenden Reformen des wegen der schnellen Verbreitung des Protestantismus einberufenen Tridentinischen Konzils beeinträchtigt.

Kaum einzuschätzen ist die Bedeutung der Durchführung dieses Projektes, das versucht, ein kulturhistorisches Unikum, eine einstige europäische Tradition aus 500 Jahre Entfernung wiederzubeleben, und es im Rahmen einer internationalen Kooperation – vielleicht zum aller ersten Mal in der Geschichte – an einem Ort in seinem vollen Umfang zu verwirklichen und den heutigen Menschen von Europa näher zu bringen.